SMX MÜNCHEN – KUNDENZENTRIERUNG TOTAL
Im Herbst 2003, also gefühlt in der Steinzeit, zankte ich abends in einer Frankfurter Bar mit einem Dialog-Marketeer. Ich behandelte ihn mit der dezenten Arroganz des noch klassischen Werbers, der TV-Spots und Print-Kampagnen für die Krone der Schöpfung hielt. Dialogmarketing mit seiner zielgruppengenauen Aussteuerung und über Response-Quoten überprüfbaren Wirksamkeit war für mich eine kleinteilige, kleinkarierte Nerverei.
Im Gegenzug gab mir der Dialog-Marketeer zu verstehen, dass er klassische Werbung im Allgemeinen und mich im Besonderen für ungenau, unintelligent und auch unnötig hielt.
15 Jahre später. Die SMX in München ist eine der international wichtigsten Konferenzen zu den Themen Search Engine Optimization und Search Engine Advertizing. Sie deckt damit im Grunde die beiden zentralen Bereiche unserer digitalen Gegenwart ab. Wer sich hier zwei Tage lang herumtreibt, wird keinen Zweifel mehr haben, welches Prinzip von Werbung inzwischen dominant ist.
Sicher, es gibt auch noch die ganz großen Visionen. Artificial Intelligence etwa, über die Johannes Schaback, der Gründer von LadenZeile.de, einen emphatischen Vortrag hielt. Auch das Konzept des Unidorn Marketing, präsentiert vom amerikanischen SEO-Guru Larry Kim, setzte einen überraschenden und amüsanten Akzent. Aber im Wesentlichen drehte sich alles immer wieder um die selben Begriffe: Persona, Targeting, Tracking, Remarketing, Content, CPC, Conversion-Rate, ROI, ROAS.
Die Möglichkeit, Werbung bzw. werblichen Content auf einzelne Zielpersonen präzise maßzuschneidern, hat eine Perfektion erreicht, gegen die das „klassische“ Dialogmarketing der Nullerjahre selber wie grobmotorisches Herumfuchteln im Dunkeln wirkt. Wir sind mittlerweile in der Lage, immer und nur genau die Menschen anzusprechen, die für ein Produkt relevant sind. Und die auch bereit sind! Wir können sie in den unterschiedlichen Phasen der Customer Journey mit exakt portionierten Informationen versorgen und arbeiten mit einer Effizienz, von der früher nicht einmal zu träumen war.
Es ist deshalb keine Frage mehr, ob man diese Form von Werbung gut findet oder nicht. Wer nicht dabei ist und sich nicht mit maximaler Präzision auf seine Kunden ausrichtet, der wird als Unternehmen irgendwann schlicht und ergreifend draußen sein.
Und das würde auch der Frankfurter Werber des Jahres 2003 ziemlich dumm und nervig finden.
– Ingo Steuber